Neurodiversität in der Hochschule

Vom Zugang zur Hochschulbildung darf laut UN-Behindertenrechtskonvention niemand ausgeschlossen werden. Dazu gehört u.a., dass neurodivergenten Menschen, bspw. mit AD(H)S, ein Studium ermöglicht werden muss. In der Praxis zeigt sich aber, dass AD(H)Sler:innen auf verhältnismäßig große Teilhabebarrieren stoßen. Sie erlangen einen niedrigeren Ausbildungsstand, ein geringeres Einkommen und haben einen niedrigeren sozioökonomischen Status. Die Neurodiversitätsbewegung fordert die umfassende Inklusion von neurodivergenten Menschen und damit den strukturellen Abbau von Teilhabebarrieren.
Natascha Dworschak untersucht in dieser Arbeit, vor welchen studienbezogenen Teilhabebarrieren AD(H)Sler:innen im Studium stehen und gibt einen Ausblick in Form von Handlungsempfehlungen zur Inklusion in der Hochschule und zur inklusiven Hochschuldidaktik.
Aus dem Inhalt
1 Einleitung: AD(H)S und Bildungserfolg
2 Inklusion von Neurodiversität im tertiären Bildungsbereich
2.1 Von Neurodivergenz zur Neurodiversität
2.2 Inklusion in der Hochschule: von Landeshochschulgesetzen bis zur inklusiven Hochschuldidaktik
3 AD(H)S und studienbezogene Teilhabebarrieren
4 Zusammenfassung und Ausblick
Einleitung
Längsschnittstudien zeigen, dass AD(H)Sler:innen einen niedrigeren Ausbildungsstand erreichen, ein geringeres Einkommen und einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben (vgl. DGPPN, 2018, S. 13). In dieser Arbeit wird dargelegt, dass AD(H)S zu den Neurodivergenzen gehört. Im Zuge der Neurodiversität sowie basierend auf der UN-Behindertenrechtskonvention muss garantiert werden, dass niemand vom Zugang zur Hochschulbildung ausgeschlossen wird. Wie aber weiterhin im Folgenden aufgezeigt wird, werden der Bildungserfolg und somit der Zugang zur Hochschulbildung durch Teilhabebarrieren im Bildungsbereich beeinflusst. Demnach kommt der Inklusion von Neurodiversität vor allem in der Bildung eine wichtige Rolle zu. Um Teilhabebarrieren abbauen zu können, müssen diese zunächst identifiziert werden. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Hochschulbereich, weshalb die Fragestellung beantwortet werden soll, vor welchen studienbezogenen Teilhabebarrieren AD(H)Sler:innen stehen.
Zusammenfassung (Auszug)
Die Neurodiversitätsbewegung sieht Neurodivergenz als Diversitätskategorie wie auch Geschlecht, Ethnizität oder sexuelle Orientierung und fordert Neurodiversität, d.h. die Anerkennung neurokognitiver Diversität sowie den Abbau von Barrieren für neurodivergente Menschen, deren rechtliche Grundlage durch das Inklusionsprinzip der UN-BRK gegeben ist. Das bedeutet, dass es eine rechtliche Grundlage zur Schaffung struktureller (rechtlicher) Rahmenbedingungen gibt, um die benachteiligenden Ausgangslagen ausgleichen zu können und Partizipation zu ermöglichen.
In dieser Arbeit wurde dargelegt, dass vor allem neurodivergente Studierende, darunter AD(H)S, vor verhältnismäßig größeren Teilhabebarrieren stehen. Diese können auch, mit den Worten der UN-BRK, als einstellungs- und umweltbedingte Barrieren definiert werden, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern. Vor dem Hintergrund der identifizierten Teilhabebarrieren für AD(H)Sler:innen in der Hochschule kann davon ausgegangen werden, dass Teilhabebarrieren im gesamten Bildungssystem bestehen. Dies könnte eine Erklärung für die zumeist niedrigen Bildungsabschlüsse unter AD(H)Sler:innen sein. Damit kommt der inklusiven Bildung für AD(H)Sler:innen eine große Bedeutung zu. Es hat sich gezeigt, dass Beeinträchtigungen und Teilleistungsstören bereits die Studiengangswahl der Studieninteressierten beeinflussten. Vor allem im Bereich der Studiendurchführung zeigten sich viele beeinträchtigungsbezogene Schwierigkeiten für Studierende mit Teilleistungsstörungen, die sich im Vergleich zu 2011 verstärkt haben. Damit kommt der inklusiven Hochschuldidaktik eine wichtige Rolle zu.
Zur Inklusion in der Hochschule und bei der inklusiven Hochschuldidaktik gilt es also, genauer zu untersuchen, welche genau die Teilhabebarrieren für neurodivergente Studierende sind. Anhand dieser Arbeit wurde lediglich ein Einblick in Teilleistungsstörungen, mit dem Fokus auf AD(H)S, gegeben. Es zeigt sich, dass diese Gruppe vor Teilhabebarrieren steht und sie weniger Beratungsangebote in Anspruch nimmt und seltener Nachteilsausgleiche zugestanden bekommt. Neurodivergenzen werden noch zu geringgeschätzt, Neurodiversität muss ein integraler Bestandteil von Inklusion in der Hochschule sein, ebenso in der inklusiven Hochschuldidaktik.
„Ein zentrales Gestaltungselement inklusiver (Hochschul-)Didaktik ist Partizipation“ (Platte et al., 2018, S. 17). Dabei ist „inklusive Didaktik weniger eine Frage der Zielgruppe […] als eine Didaktik, die unabhängig von erwarteten (vermeintlich homogenen oder heterogenen) Gruppierungen und stattdessen mit jeder Kohorte, mit jedem Semesterbeginn angesichts der aktuell Beteiligten neu zu fragen beginnt“ (Platte et al., 2018, S. 12). Inklusive Hochschuldidaktik darf nicht nur infrastrukturelle Barrieren mitdenken, sondern vor allem vor dem Hintergrund von Neurodivergenzen muss es auch um die Reflexion und den Abbau von kognitiven Barrieren gehen. Inklusive Hochschuldidaktik kommt somit nicht nur neurodivergenten Menschen zugute.
Über die Autorin

Natascha Dworschak studiert im Master Bildung, Management und Führung an der Hochschule Fresenius und ist seit 2018 als DAAD-Lektorin an der Universität Roma Tre (Rom, Italien) tätig. Im Anschluss an ihren binationalen Bachelor in Deutsch-Italienischen Studien an den Universitäten Bonn und Florenz studierte sie im Master Germanistik im Kulturvergleich an der Universität Heidelberg.
Schon in ihrem Beifach des Masters setzte sie sich mit Bildungswissenschaften – Schwerpunkt Organisationsentwicklung – auseinander. Zu ihren Schwerpunkten gehören Deutsch als Fremd-/Zweitsprache, Soziolinguistik und Erwachsenenbildung.
Kontakt: dworschak.natascha@stud.hs-fresenius.de
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OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Natascha Dworschak (12. Juni 2023). Neurodiversität in der Hochschule. Bildung - Mensch - Medien. Abgerufen am 15. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/m0n8