Sophie Scholl als Influencerin: Zur Erinnerungskultur auf Instagram

“Oh, but if this isnt’t true, then what else isn’t?“ Anlässlich des 100. Geburtstages von Sophie Scholl haben der SWR und der BR 2021 das Projekt @ichbinsophiescholl auf Instagram ins Leben gerufen. Doch kann auf der Social Media Plattform eine ethisch angemessene Erinnerungskultur umgesetzt werden kann?

Sophie Scholl als Influencerin. Kann über Instagram eine ethisch angemessene Erinnerungskultur funktionieren?
von Daniel Debudey
Aus dem Inhalt
1 Einleitung
2 Erinnerungskultur in sozialen Netzwerken
2.1 Definition Erinnerungskultur
2.2 Parasoziale Interaktion
2.3 Medienethische Aspekte
2.4 Vorstellung Projekt @ichbinsophiescholl
3 Sophie Scholl als Influencerin
3.1 Kommunikation mit Sophie Scholl –Erinnerungskultur auf Social Media
3.2 Verantwortung im Fokus – eine medienethische Diskussion
4 @ichbinsophiescholl – Gute Absichten – schlechte Umsetzung?
4.1 Chancen eines solchen Projektes
4.2 Medienethische Gefahren eines solchen Projektes
5 Fazit
Einleitung
„[…] oh, but if this isnt’t true, then what else isn’t?“ (Hasel, 2021)
Dieses Zitat stammt von Eva Hasel, welches sie im Rahmen der histoCON live show sagte. Damit will sie betonen, dass im Kontext des Holocaust und Nationalsozialismus ein Erzählen entlang der wahren historischen Gegebenheiten unabdingbar ist, da ansonsten Leugnung und Falschinformationen die Oberhand gewinnen könnten.
In diesen thematischen Rahmen hat sich, anlässlich des 100. Geburtstages von Sophie Scholl, das Projekt @ichbinsophiescholl begeben. Dieses wurde in gemeinsamer Arbeit vom Südwestrundfunk (im Folgenden: SWR) und dem bayrischen Rundfunk (im Folgenden: BR) zum 100. Geburtstag der Widerstandskämpferin Sophie Scholl am 04. Mai 2021 ins Leben gerufen. Produziert wurde das Projekt, im Auftrag von SWR und BR, von der Sommerhaus Serien GmbH, in Kooperation mit Vice Media und Unframed Productions. In zehn Monaten wurden dabei die letzten Lebensmonate von Sophie Scholl auf Instagram nacherzählt (vgl. Bayerischer Rundfunk, 2021). Instagram ist eine Social-Media Plattform, welche das Ziel verfolgt für Menschen Gemeinschaften aufzubauen und dabei die Welt näher zusammen zu bringen (vgl. Meta Platforms Ireland Limited, 2023). Instagram als Plattform gibt es seit Oktober 2010, enorme Auswirkungen und Um- brüche für die Medienlandschaft sind seit 2015 wahrnehmbar. Seitdem sind Bild- und Videoaufnahmen von allen Orten der Erde für alle Schichten der Gesellschaft abrufbar und konsumierbar. Es sind enorme Auswirkungen für Publikum und Medienschaffende zu beobachten (vgl. Schützeneder & Graßl, 2022, S. 11ff.).
Die vorliegende Hausarbeit hat zum Ziel, die Möglichkeiten, welche Instagram bietet, zu betrachten und dabei das Projekt @ichbinsophiescholl näher zu betrachten und zu analysieren. Hierbei soll herausgefunden werden, ob eine ethisch angemessene Erinnerungskultur auf Instagram umgesetzt werden kann. Die konkrete Forschungsfrage lautet:
Kann über Instagram, dargelegt am Beispiel @ichbinsophiescholl, eine ethisch angemessene Erinnerungskultur funktionieren?
Dazu wird zu Beginn definiert, wie Erinnerungskultur in sozialen Netzwerken zu verstehen ist. Im Anschluss wird das Projekt vorgestellt und Sophie Scholl als Influencerin betrachtet. Zum Abschluss sollen die Chancen und Gefahren dieses Projektes gegenübergestellt werden.
Fazit
Kann also über Instagram, dargelegt am Beispiel @ichbinsophiescholl, eine ethisch angemessene Erinnerungskultur funktionieren? Aufgrund der vorangegangenen Analyse kann die Forschungsfrage nur eingeschränkt positiv beantwortet werden. Die Analyse und Diskussion zeigen auf, dass das Projekt @ichbinsophiescholl sowohl positive als auch kritische Aspekte aufweist. Es zeigt sich, dass für eine ethisch angemessene Erinnerungskultur eine professionelle Begleitung notwendig ist, die gewährleistet, dass die historische Genauigkeit der Inhalte gegeben ist. Dieser Aufgabe sind die Initiatoren des Projektes nicht nachgekommen, die Inhalte wurden ohne hinreichende Quellenangaben präsentiert und an zu vielen Stellen dramaturgisch angepasst. Damit wurde verhindert, dass sich die Nutzer*innen tiefergehend und aktiv mit der Geschichte auseinandersetzen konnten. Es ist als Projekt in Erinnerung geblieben, welches die jungen Menschen nicht in der Tiefe erreichen konnte. Auch zeigt sich, dass die parasoziale Interaktion ein ernst zu nehmendes Risiko darstellt. Die User*innen identifizieren sich mit der dargestellten Sophie Scholl über Instagram und hinterfragen die Vergangenheit dadurch weniger kritisch. Hier fehlte es den Initiatoren in der Summe an Fingerspitzengefühl.
Insgesamt kann das Projekt auf der anderen Seite dennoch als ein Beispiel dafür dienen, wie Instagram als Medium für digitale Erinnerungskultur funktionieren kann. Es hat sich gezeigt, dass junge Menschen ein Interesse an historischem Content auf Social Media haben. Ein verändertes Konzept würde der Plattform deutlich gerechter werden und einen wirklichen Diskurs und neuartigen Zugang zu der deutschen Vergangenheit ermöglichen. Zukünftige Projekte sollten jedoch eine professionellere Begleitung aufweisen, um die historische Genauigkeit zu gewährleisten und die Nutzer zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anzuregen. Eine sorgfältige Kontextualisierung und Einbindung von Quellen sind dabei von großer Bedeutung. Es stellt sich daher die Frage, wie das vorhandene Interesse an historischem Content für zukünftige Projekte genutzt werden kann, um alternative und weniger sensible Social Media-Projekte zu initiieren. Es gibt zahlreiche Themenbereiche der Vergangenheit, die weniger empfindlich sind als der Nationalsozialismus. Angesichts der aktuellen Diskussionen über kulturelle Aneignung und verfälschte Geschichtsdarstellungen besteht die Möglichkeit, dieses Potenzial zu nutzen, um durch den Einsatz dieses Mediums eine neue Perspektive auf Geschichte zu eröffnen. Dabei ist es jedoch unabdingbar, dass eine angemessene historische Begleitung gewährleistet wird, Quellen genannt und zur Diskussion gestellt werden.
Es zeigt sich also, dass die Diskussion über eine ethisch angemessene Erinnerungskultur in sozialen Netzwerken fortgesetzt werden sollte. Hierzu gehört es einerseits, sensible Themen, wie eben solche Projekte, kontinuierlich zu reflektieren und dabei andererseits neue soziale Medien nicht aus den Augen zu verlieren. Wird heute noch über Erinnerungskultur auf Instagram diskutiert, befindet sich ein Großteil der Schüler*innen und jungen Erwachsenen mittlerweile auf Plattformen wie TikTok wieder. Bis 2025 ist damit zu rechnen, dass knapp eine Milliarde User*innen auf TikTok monatlich aktiv sein werden (vgl. eMarketer, 2022). Wie kann also auf einer solchen Plattform eine Erinnerungskultur funktionieren?
Einige Ziele hat das Projekt auf jeden Fall erreicht. Es bot einen „intimen Einblick in den Alltag von Sophie Scholl“ und war im Nachgang als eine „besondere Zeitreise“ (Bayerischer Rundfunk, 2021) zu betrachten. Das Projekt war in der Öffentlichkeit präsent und erreichte ohne Zweifel einige Personen. Mit einigen Veränderungen bietet die Plattform daher definitiv Potenzial für zukünftige Projekte.

Daniel Debudey ist beruflich als Ausbilder für kaufmännische Ausbildungsberufe bei einem großen Technologiekonzern in Essen tätig. Vor seiner Tätigkeit als Ausbilder war er fünf Jahre im kaufmännischen Projektmanagement in Stuttgart tätig, wo er wertvolle Erfahrungen in der Industrie sammelte. Sein Ziel ist es, junge Menschen auf eine erfolgreiche Karriere im kaufmännischen Bereich vorzubereiten und ihnen die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, um in der heutigen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.
Daniel Debudey absolvierte sein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Industrie an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart von 2012 bis 2015. Seit 2022 setzt er seine eigene akademische Laufbahn fort und studiert im Master Bildung, Medien und Digitalisierung an der Hochschule Fresenius, Fachbereich onlineplus. Durch dieses Studium erhofft er sich, noch mehr Wissen und Fähigkeiten zu erlangen, um seinen Auszubildenden das bestmögliche Ausbildungserlebnis zu bieten.
Kontakt: daniel@debudey.de
Titelbild: https://pixabay.com/de/photos/instagram-social-media-kommunikation-3198093/
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Daniel Debudey (6. März 2024). Sophie Scholl als Influencerin: Zur Erinnerungskultur auf Instagram. Bildung - Mensch - Medien. Abgerufen am 15. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/vym6