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Wie Wissen entsteht und was Generationen voneinander lernen können

„If HP knew what HP knows, we would be three times as profitable“. Mit diesen Worten drückte der frühere CEO von Hewlett-Packard, Lew Platt, sowohl sein Vertrauen in den Wert des Wissens als auch seine Besorgnis darüber aus, dass Unternehmen oft nicht in der Lage sind, das gesamte Wissen, das im Unternehmen vorhanden ist, effektiv zu nutzen. Wie kann es nun aber gelingen, das Wissen unter den Mitarbeitern weiterzugeben? Und wie kann ein Wissenstransfer in den Arbeitsalltag integriert und abteilungs-, standort- und sogar generationenübergreifend organisiert werden?


Wie Wissen entsteht und was Generationen voneinander lernen können

Entwicklung eines Konzeptes zur generationenübergreifenden Weitergabe von Wissen in einem deutschen Großkonzern

von Daniel Debudey

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Abstract

Die vorliegende Masterthesis verfolgt das Ziel, ein Konzept zur generationenübergreienden Weitergabe von Wissen in einem deutschen Großkonzern zu entwickeln. Die zentrale Forschungsfrage lautet: 

Wie muss ein Konzept gestaltet sein, um die generationenübergreifende Weitergabe von Wissen in einem deutschen Großkonzern zu ermöglichen? 

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine qualitative Studie innerhalb des untersuchten Unternehmens durchgeführt. Hierzu wurden halbstrukturierte Interviews mit Mitarbeiter*innen des Unternehmens geführt und diese anschließend mit Hilfe der fokussierten Inhaltsanalyse ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigen, dass Lernen primär in informellen Kontexten stattfindet, wobei der Wissenstransfer durch gegenseitiges Lernen und Beobachtungslernen geprägt ist. Ein erfolgreicher Wissenstransfer erfordert eine Integration in den Arbeitsalltag und den Austausch über Abteilungs- und Standortgrenzen hinweg, um Wissenssilos zu vermeiden.

Die vorliegende Masterthesis löst sich von einem reinen historischen-soziologischen Generationenverständnis und setzt den Schwerpunkt auf die vermittelnde und lernende Generation im Sinne des pädagogisch- anthropologischen Generationenverständnisses. Das Ergebnis ist ein Mentoring-Konzept (Wissens-Mentoring) mit Fokussierung auf das Wissen der Teilnehmer*innen, welches nun umgesetzt und in das untersuchte Unternehmen integriert werden kann.

English Version: The objective of this master’s thesis is to develop a conceptual framework for facilitating cross-generational knowledge transfer within a large German corporation. The central research question is as follows: 

How must a concept be designed in order to facilitate the cross-generational transfer of knowledge in a large German corporation? 

To answer the aforementioned research question, a qualitative study was executed within the company analyzed. Semi-structured interviews were conducted with company employees and subsequently analyzed using a focused content analysis method.

The results indicate that the majority of learning mainly occurs in informal settings, with knowledge transfer being primarily characterized by mutual and observational learning. Effective knowledge transfer requires integration into the routine operations of an organization and the facilitation of interdepartmental and intersite exchange in order to circumvent the formation of knowledge silos.

This master’s thesis departs from a purely historical-sociological understanding of generations, focusing on the mediating and learning genera- tion in accordance with the pedagogical understanding of generations instead. The outcome of the investigation is a mentoring concept (knowledge mentoring) with a focus on the knowledge of the participants, which can now be implemented and integrated into the company analyzed in this study.

Aus dem Inhalt

1 Einleitung
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Begriffsklärung
2.2 Generationen
2.3 Lernprozesse im Unternehmen
3 Forschungsstand
4 Forschungsdesign
5 Ergebnis und Diskussion
6 Schlussbetrachtungen

Aus der Einleitung

„If HP knew what HP knows, we would be three times as profitable“ (Davenport & Prusak, 1998, S. xii). Mit diesen Worten drückte der frühere Chief Executive Officer (im Folgenden: CEO) von Hewlett-Packard (im Folgenden: HP), Lew Platt, sowohl sein Vertrauen in den Wert des Wissens als auch seine Besorgnis darüber aus, dass Unternehmen oft nicht in der Lage sind, das gesamte Wissen, das im Unternehmen vorhanden ist, effektiv zu nutzen (vgl. Davenport & Prusak, 1998, S. xii). North (2021) bezeichnet Wissen sogar als „Schlüsselressource der digitalen Ära“ (North, 2021, S. 13) und führt dies auf „drei Triebkräfte“ zurück. Diese sind „[d]ie Globalisierung der Wirtschaft […]“ (North, 2021, S. 14), die Digitalisierung und „[d]er strukturelle Wandel von arbeits- und kapitalintensiven zu daten-, informations- und wissensintensiven Aktivitäten […]“ (North, 2021, S. 14). Dies hat zur Folge, dass „[…] Daten, Informationen und das daraus generierte Wissen begehrte Güter werden […]“ (North, 2021, S. 17), welche, so North (2021), ein enormes Wertschöpfungspotenzial für Unternehmen mit sich bringen (vgl. North, 2021, S. 15–18).

Daneben intensivieren die demografischen Veränderungen die Bedeutung des Wissens für Unternehmen, gerade in Deutschland. So ist bis 2035 der intensivste demografische Einbruch bei Bürger*innen zwischen 20 und 64 Jahren zu erwarten, da die sogenannten „Babyboomer“ bis dahin den Ruhestand angetreten haben. Bis auf wenige Ausnahmenhaben alle Kommunen in Deutschland mit einem Rückgang innerhalb dieser Alters- spanne zu rechnen (vgl. Slupina et al., 2019, S. 14). So titelt das Handelsblatt im März 2024: „Bei Deutschlands Konzernen schnappt die Rentenfalle zu“ (Müller & Scheppe, 2024) und prognostiziert, auf Basis eigener Umfrageergebnisse, einen Beschäftigungs- rückgang von im Durchschnitt 20% für deutsche Unternehmen (vgl. Müller & Scheppe, 2024). Der dadurch entstehende Abgang von Wissensträger*innen muss kompensiert werden und ist demnach auch für das Wissensmanagement innerhalb von Unternehmen von Bedeutung (vgl. Gerstenmaier & Mandl, 2011, S. 125). Es ist aus diesen Gründen sinnvoll sich, insbesondere aus Perspektive der Generationen, mit dem Themengebiet Wissen und Wissensmanagement innerhalb deutscher Unternehmen zu beschäftigen.

Es stellt sich jedoch die Frage, was genau unter dem Begriff „Wissen“ zu verstehen ist. Gilbert Ryle hebt in seinem Werk „The Concept of Mind“ (1969) hervor, dass Wissen nicht nur aus dem reinen Faktenwissen besteht, sondern auch die Fähigkeit einschließt, dieses Wissen anzuwenden (vgl. Ryle, 1969, S. 26ff.). Diese Unterscheidung zeigt, dass das bloße Vorhandensein von Wissen, wie es im Zitat von Platt angedeutet wird, nicht ausreicht. Vielmehr ist es entscheidend, wie dieses Wissen genutzt und angewendet wird – ein Gedanke, der im weiteren Verlauf der vorliegenden Masterthesis eine zentrale Rolle spielen wird.

Mit Blick auf das Forschungsfeld des Wissensmanagements und die, in der Studie von Wang et. al (2018) analysierten, veröffentlichten Artikel zum Wissensmanagement von 1974 bis 2017 (vgl. Wang, Zhu, Song, Hou & Zhang, 2018), zeigt sich ein wachsendes Forschungsfeld, welches seit Mitte der 2000er Jahre pro Jahr über 300 Veröffentlichun- gen verzeichnet, Tendenz steigend (vgl. Wang et al., 2018, S. 5). Von den veröffentlichten Studien stammen allerdings nur knapp 6% aus Deutschland, der Großteil kommt mit knapp 23% aus den USA. Ebenfalls ist ein Blick auf die untersuchten Fachgebiete auf- schlussreich. So stammen über 30% der untersuchten Studien aus dem Bereich „Ma- nagement“. Lediglich 2,1% entstammen der bildungswissenschaftlichen Forschung (vgl. Wang et al., 2018, S. 7–12). Wissen und Wissensmanagement kann und sollte allerdings nicht ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Begriff des Lernens stattfinden, da Wissen sowohl „[…] Gegenstand wie auch [das] Ergebnis von Lernen“ (Hof, 2016, S. 205) darstellt. Dies macht, in Verbindung mit der aufgezeigten Forschungslücke, eine bildungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themengebiet des Wissensmanagements notwendig.

Fazit

Die vorliegende Masterthesis hat gezeigt, dass ein Großteil des Lernens in der untersuchten Abteilung des Großkonzerns informell stattfindet. Die Mitarbeiter*innen tauschen sich selbst-, aber auch fremdgesteuert aus, geben ihr Wissen weiter und lernen von den Kolleg*innen. Tiefgreifende Vorurteile auf Basis von Alter oder Berufserfahrung bestätigen sich nicht, vielmehr spielt das konkrete Wissen und die Expertise der Kolleg*innen eine entscheiden Rolle für das Lernen und die Wissensweitergabe in der Abteilung.

Das entwickelte Konzept des Wissens-Mentorings greift diesen Aspekt auf. Dieses basiert auf einem Peer-Mentoring-Ansatz und fördert die Wissensweitergabe in der Abteilung und dem Unternehmen, ohne Alter oder die Berufserfahrung dabei in den Fokus zu rücken. Vielmehr ermöglicht es eine flexible Rollenverteilung, im Sinne des pädagogisch-anthropologischen Generationenverständnisses, zwischen den Mentor*innen und Mentees. Die Integration und Verzahnung mit den vorhandenen Lerntagen ermöglicht eine unkomplizierte Implementierung und kann dazu beitragen, die Akzeptanz für das Konzept in der untersuchten Abteilung zu fördern. Ein zentraler Aspekt, der durch die Ergebnisse verdeutlicht wurde, ist die Bedeutung des informellen Lernens. Das entwickelte Wissens-Mentoring-Konzept greift diesen Aspekt gezielt auf, indem es die informellen Lernstrukturen nutzt und fördert, um eine effektive Wissensweitergabe zu gewährleisten. Die Flexibilität des Konzepts ermöglicht den Mitarbeiter*innen, Wissen in einem natürlichen, selbstgesteuerten Rahmen zu teilen und zu erwerben, wodurch es besser in den Arbeitsalltag integriert werden kann und die praktische Anwendbarkeit des Gelernten gestärkt wird.

Die Masterthesis hat gezeigt, wie ein Konzept gestaltet werden muss, um die generationenübergreifende Wissensweitergabe in einem deutschen Großkonzern zu ermöglichen. Das entwickelte Wissens-Mentoring-Konzept fördert den Austausch zwischen Mitarbeiter*innen und reduziert Wissenssilos. Es baut auf vorhandenen, informellen Lernstrukturen auf, um sicherzustellen, dass Wissen nicht nur weitergegeben, sondern auch effektiv angewendet wird. Im Rückblick auf das Zitat von Lew Platt, „If HP knew what HP knows, we would be three times as profitable“ (Davenport & Prusak, 1998, S. xii), wird deutlich, dass das entwickelte Konzept maßgeblich dazu beitragen kann, bestehende Wissenssilos im Unternehmen zu verringern, den Austausch zwischen den Kolleg*innen zu fördern und somit die Wissensweitergabe im Unternehmen zu verbessern. Durch die differenzierte Betrachtung des Wissensbegriffs, im Sinne des Verständnisses von Ryle (1969) ist sichergestellt, dass das bildungswissenschaftliche Verständnis angemessen berücksichtigt wird. Gleichzeitig zeigt sich, dass für eine Übertragung des Konzepts auf andere Abteilungen und Bereiche des Unternehmens tiefergehende Untersuchungen notwendig sind, da die Sensibilisierung für Lern- und Wissensprozesse in anderen Kon- texten variieren kann.

Die aufgezeigte Forschungslücke im Bereich der generationenübergreifenden Wissensweitergabe unter Berücksichtigung bildungswissenschaftlicher Perspektiven lässt sich mit der durchgeführten Forschung verringern. Gleichzeitig löst sich die Masterthesis von der vorherrschenden Generationen Typologisierung aus historisch-soziologischer Perspektive und setzt vielmehr, im Sinne des pädagogisch-anthropologischen Generationenverständnisses, die jeweiligen Fähigkeiten der Individuen in den Vordergrund.


Daniel Debudey ist beruflich als Ausbilderleiter bei einem großen Technologiekonzern in Essen tätig. Vor seiner Tätigkeit als Ausbilder war er fünf Jahre im kaufmännischen Projektmanagement in Stuttgart tätig, wo er wertvolle Erfahrungen in der Industrie sammelte. Sein Ziel ist es, junge Menschen auf eine erfolgreiche Karriere im kaufmännischen Bereich vorzubereiten und ihnen die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, um in der heutigen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.

Daniel Debudey absolvierte sein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Industrie an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart von 2012 bis 2015. Von 2022 bis 2025 setzte er seine eigene akademische Laufbahn fort und studierte im Masterstudium Bildung, Medien und Digitalisierung (M.A.) an der Hochschule Fresenius, Fachbereich onlineplus. Durch dieses Studium erlangte er noch mehr Wissen und Fähigkeiten, um seinen Auszubildenden das bestmögliche Ausbildungserlebnis zu bieten.

Kontakt: daniel@debudey.de


Titelbild: mentor-8005088_1280 | pixabay.com


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Daniel Debudey (5. Februar 2025). Wie Wissen entsteht und was Generationen voneinander lernen können. Bildung - Mensch - Medien. Abgerufen am 25. März 2025 von https://doi.org/10.58079/1391r


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